PETŐFIS LEICHNAM
Tomoya Imamura
»Petőfis Leichnam« ist der Versuch eine ungarische Gegenwart zu umschreiben, deren postsozialistische Realität
eine neue Form des Nationalismus nährt. Die Perspektive des Verlierers prägte nach jahrhundertelanger
Fremdbestimmung die Identität des Landes und führt heute zu einer Wiederentdeckung und Neuerfindung der eigenen
Geschichte. Vorchristliche Sagen und Heldengeschichten aus den vielen gescheiterten Revolutionen stärken das
Selbstbewusstsein eines Volkes, das sich nicht länger in einer europäischen Nebenrolle sehen will.
In dieser Bildreihe werden dokumentarfotografische und inszenierte Bilder kombiniert, wodurch eine Parallele zu der
Realität und Inszenierung der Gegenwart geschaffen werden soll. Teil dieser Inszenierung sind Pappmaschéobjekte,
die zum Teil ungarische Nationalsymbolik, zum Teil osteuropäische Klischees, sowie kommunistische Symbolik darstellen.
In Szenen und Portraits werden Alltagssituationen dargestellt, in welche sich diese Symbole einfügen. Sie dienen als
weiße Projektionsfläche oder ausgebrannte Form. Für Außenstehende sind sie beinahe der einzige direkte Verweis
auf Ungarn, wobei die dargestellte Nationalsymbolik für solche nicht mehr Aufschluss bietet als der gelegentliche
Schriftzug in ungarischer Sprache. Die Verortbarkeit bleibt dadurch im osteuropäischen Raum und betont den
kommunistischen Schleier, der den ehemaligen Ostblock in uniformen Beton goss.
Text: Tomoya Imamura
ETERNAL RETURN
Yambe Tam
Ancient materials and contemporary processes collide in Yambe Tam’s artworks, displacing them outside of
geologic time and space. They are artifacts excavated from a cosmic dimension, revealing invisible
structures of reality: wormholes, black holes, frequencies, evolving consciousness. Such things are at once
sacred and profane, a scientific and spiritual revelation of the universe’s secrets that can only be
accomplished by man and machine working in tandem: hand and laser, chance and control, error and perfection.
Full understanding is a journey of dominance and submission between the self and the unknown; in this
environment, which is part temple, part laboratory, and part dungeon, it is only through complete surrender
that you reach an embodied experience connecting mind and body.
Text: Yambe Tam
FIRST CUT
Thomas Knüsel
Foto: Thomas Knüsel
2018 | Animations- und Found-Footage-Film | 15:07
in Zusammenarbeit mit Gian-Andri Töndury
In First Cut wird die Evolution einer undefinierten »creature« erzählt. Von einem reinen
Verdauungswesen,
das seine Umgebung nur durch Verlangen und Abneigung, Lust und Unlust, definiert,
entwickelt es sich zu einem Wesen, das seine Umwelt zu modellieren und repräsentieren beginnt, bis es
in eine philosophische Krise gerät.
Der Film ist der erste Teil einer im Entstehen begriffenen, vierteiligen Serie. Die entstehenden Kurzfilme
vermengen verschiedenste Vorstellungen, Gemeinplätze und Theorien zur Evolution der Menschen.
3D Animation, Film- und Audiocollage zitieren und subvertieren das Genre des Wissensfilmes. Dabei knüpfen
die Filme Beziehungen zwischen der Entwicklung von Werkzeugen (Faustkeil, Messer, Tragetasche usw.),
der Entwicklung von Medien (modellierte Figur, Höhlenmalerei usw.) und Entwicklungen im Denken und Wahrnehmen
bis hin zu physiologischen Vorgängen wie dem Verdauen. Die Titel der einzelnen Teile, First Cut,
Second Cut usw. spielen auf eine Analogie zwischen Schneiden und Abstrahieren an.
In diesem ersten Teil, First Cut, collagieren Knüsel/Töndury Vilèm Flussers Abstraktionstheorie als Evolution
vom vier- zum dreidimensionalen Medium, Ursula K. LeGuins feministische Persiflage, in welcher sie
dem (männlichen) Messer die (weibliche) Tragetasche als erstes Werkzeug gegenüberstellt, und Barbara Staffords
Kombination von Neuro-Ästhetik und Kulturgeschichte.
Text: Gian-Andri Töndury & Thomas Knüsel
STILL FLOATING
Agata Bara & Maren Schneider
Die Hand scrollt und tippt. Die Hand bewegt sich über Papier, hält einen Stift oder Pinsel. Bilderwelten, die
das Digitale und Analoge zusammenführen, entstehen – alles ist in der Schwebe, everything is still floating.
Das Bild oszilliert zwischen analog und digital, zwischen bewusst und unbewusst, zwischen Unikat und der unendlich
reproduzierbaren digitalen Datei, die die Technologie als Mittler braucht, um fassbar zu werden. Malerei und
Zeichnung an der Schnittstelle von digitaler und greifbarer Welt. Für die Ausstellung wurde von Bara und Schneider
in einer Kollaboration eine Tapete entworfen. Die analogen Zeichnungen wurden von den Künstlerinnen digitalisiert
und bearbeitet, schliesslich zum Ornament zusammengefügt und zu einer industriell gefertigten Tapete verarbeitet.
Für den Betrachter bleibt unklar, welche Zeichnungen aus der Hand von Schneider und welche aus der Hand von
Bara stammen. Die Autorenschaft wird abgelegt, die Grenzen zwischen den individuellen Handschriften verschwimmen.
Statt Früchten und floralen Elementen bilden teils parasitäre Insekten und Spinnentiere das Muster der Tapete.
Die Bezüge zur Domäne des Häuslichen und rein Dekorativen werden durch die Abkehr vom gefälligen Motiv gebrochen.
Text: Agata Bara & Maren Schneider
ETWAS GANZ SPONTANES WIE ES AUSSIEHT
ELizaveta Podgornaia
Eine fotografische Aufnahme kann wohl auch ganz spontan passieren. Ein Gebäude zu bauen oder
eine Konstruktion aus Ton zu erschaffen, verläuft dagegen alles andere als spontan. Bevor
etwas gebaut wird, muss erst einmal ein Imaginationsraum entstehen. Danach wird dieser, Schritt
für Schritt, in der Realität verwirklicht. Eine Konstruktion muss die Grenzen festlegen, der
Raum der uns umgibt hingegen nicht, das fotografische Bild besitzt wiederum die Grenzen des Abzugs,
aber der Phantasieraum bleibt offen. In ihrer neuen Arbeit beschäftigt sich Elizaveta Podgornaia
mit gebauten und konstruierten Räumen sowie deren Darstellung im fotografischen Bild und bleibt dabei
ihrem langfristigen Interesse treu, zu untersuchen wie eine neue Realität im Bild geschaffen
werden kann.
Text: Elizaveta Podgornaia
SOUVENIR DE LOURDES
Natalie Richter
Lourdes in Südwestfrankreich ist einer der meist besuchten Wallfahrtsorte der Welt. Mehr als sechs Millionen
Pilger besuchen jährlich den kleinen Pyrenäenort, in dem 1858 die Heilige Jungfrau Maria der damals
14-jährigen Bernadette Soubirous achtzehn Mal erschienen sein soll. Tausende Augenzeugen konnten beobachten,
wie Bernadette mit einer unsichtbaren Dame sprach, die angeblich in einer Felsennische der Grotte von
Massabielle stand und sich später mit den Worten »Ich bin die unbefleckte Empfängnis« als die Heilige Jungfrau
zu erkennen gab. Ein Künstler aus Lyon gestaltete eine Statue nach den Beschreibungen der jungen Visionärin,
die stellvertretend für die Muttergottes den Platz in der Grotte einnahm. Obwohl Bernadette mit dem Äußeren der
Statue nicht einverstanden gewesen sei, wurde diese zum Ausgangspunkt des weltweit verbreiteten Bildes
der sogenannten Lourdes-Madonna, welches sich auch in Lourdes selbst, vor allem in den zahlreichen Souvenirläden
der Stadt, auf vielfältige Weise wiederfinden lässt. Von besonderem Interesse sind auch die Behälter für
das wundertätige Wasser von Lourdes, das aus einer Quelle stammt, die während der Erscheinungen von Bernadette
freigelegt wurde und der bis heute heilende Kräfte zugeschrieben werden. Ausgehend vom Objekt, beschäftigt
sich SOUVENIR DE LOURDES mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Ur- und Abbild, Original und
Reproduktion, Heiligem und Profanem.
Text: Natalie Richter
TOUCH
Mercedes Wagner
Die Installation TOUCH thematisiert das fotografische Bild als Mittel, um zu begreifen,um mit sich
und der Umwelt in Berührung zu kommen. Die scheinbare Dopplung desSichtbaren und das Motiv
des »Bild-Schirms« verweisen dabei auf die imWirklichkeitsanspruchverhüllte Abstraktion, die sich fast
unbemerkt, einer virtuellen Haut gleich, zwischen uns und die Welt schiebt. In ihren Installationen
und Büchern reflektiert Mercedes Wagner das relationale Verhältnis zwischen fotografischem Bild, Identität
und Kultur. Der Bezug zum Raum ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeiten, er liefert die
Grundstruktur für die Visualisierung der Vernetzungen, die sie thematisiert. Das fotografische Bild versteht
sie dabei als Artefaktmit materiellen und immateriellen Aspekten eines Körpers, der sich gleichsam auf
unsere Lebenswelt auswirkt und sie abbildet.
Text: Mercedes Wagner
READY, MADE, SHINE
Lara Fritsche
Foto: Lara Fritsche
Foto: Lara Fritsche
Foto: Lara Fritsche
Über Materialität und Form setzt sich Lara Fritsche mit Bild-Objektbeziehungen auseinander.
Gebrauchsgegenstände transformiert sie mit simplen Mitteln und setzt sie spielerisch
in ihrer alltäglichen Umgebung in Szene. Es entstehen surreale Kompositionen, die auf den
zweiten Blick mit ihrer vermeintlichen Perfektion brechen. Die Ausgangsformen der
Gegenstände und ihre Bezeichnungen werden irrelevant. Zurück bleibt eine Abstraktion,die
fremde Formen bildet und Raum für neue Imaginationswelten schafft.
Text: Lara Fritsche
USE OF FORCE
Vladimir Unkovic
KASKADE
Alexander Barthelmie
Foto: Alexander Barthelmie
WIE UNVERWECHSELBAR
Kathrin Esser